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Persönliche Erklärung zur Abstimmung über den Gesetzentwurf des Bundesrates zur „Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts“

Mir ist bewusst, dass die Öffnung der Ehe kontrovers diskutiert wird und es auf beiden Seiten nachvollziehbare Argumente gibt. Gerade weil meine Heimat christlich und traditionell geprägt ist, habe ich mir die Entscheidung darum keineswegs leicht gemacht. Dabei bin ich sehr dankbar für die unzähligen Briefe, Anrufe und Emails, die mich erreicht haben. Nach vielen sehr persönlichen Gesprächen mit Befürwortern und Gegnern überwiegen für mich am Ende aber die Argumente für eine Öffnung. Um es deutlich zu machen: Es geht um die Öffnung der Zivil-Ehe, nicht um eine Öffnung der kirchlichen.

 

Ich halte es gerade bei einer solch emotionalen Debatte für geboten, Befürwortern und Gegnern, sei es in der Politik oder in der Bevölkerung, mit Respekt vor ihrer Haltung und Meinung zu begegnen. Menschen, denen es aus welchen Gründen auch immer, schwer fällt, eine Öffnung der Ehe zum jetzigen Zeitpunkt oder auch generell zu unterstützen, als rückständig oder gar homophob zu diffamieren, entspricht nicht meiner Vorstellung einer sachlichen Debatte. Wer Verständnis für die eigene Position erwartet, sollte auch der anderen ein Mindestmaß an Respekt gegenüber bringen.

 

In der Sache ist die Öffnung der Ehe für Paare gleichen Geschlechts der letzte logische Schritt einer etappenweisen Angleichung der Rechte von verschieden- und gleichgeschlechtlichen Paaren. Dass dabei in den vergangenen fast 20 Jahren die rechtliche Gleichstellung nach und nach umgesetzt wurde und eine Entwicklung durchlief, halte ich für grundlegend und entscheidend für die heutige Debatte. Denn nur so konnten mit jedem Schritt die Akzeptanz und die Selbstverständlichkeit in der Gesellschaft und auch in den politischen Parteien mehr und mehr wachsen. Der Deutsche Bundestag kommt dieser gesellschaftlichen Entwicklung mit der heutigen Abstimmung nach.

 

Meine Zustimmung zur Öffnung der Zivil-Ehe entspricht dabei Werten, die mich in meinem Leben und meiner Politik prägen und leiten: Entscheidend ist für mich nämlich der Wille und das Bekenntnis, verbindlich und mit allen Konsequenzen füreinander einzustehen. Wenn zwei Menschen diese gegenseitige Verantwortung für Zusammenhalt und Verlässlichkeit übernehmen wollen und dies vor dem Staat vertraglich erklären und besiegeln, dann sind dies für mein Verständnis zutiefst bürgerliche Grundwerte, für die auch - und vielleicht sogar zu allererst - die CDU steht.

 

Ehe bedeutet Rechte, aber auch finanzielle und fürsorgliche Pflichten und darüber hinaus gehende Verbindlichkeiten für beide Partner. Deshalb widerspreche ich vehement dem Argument, dass sich aus der rechtlichen Öffnung eine Beliebigkeit des Begriffs Ehe ableiten lässt. Das greift zu kurz und wird der Institution Ehe per Definition nicht gerecht. Denn den Wert der Ehe danach zu bemessen, ob gleichgeschlechtliche Paare ebenfalls heiraten dürfen oder nicht, halte ich für falsch. Eine Ehe zwischen Mann und Frau steht in keiner Weise in Konkurrenz zu einer Ehe gleichgeschlechtlicher Partner. Auch wird der Schutz von Ehe und Familie weder aufgeweicht, noch aufgehoben. Familien und Kinder bleiben Fundament unserer Gesellschaft. Das Verständnis von Ehe hat sich im Laufe der Zeit stets gewandelt und war beispielsweise im 19. Jahrhundert und sogar bis weit in das 20. völlig anders geprägt als wir dies heute sehen.

 

In den letzten Jahrzehnten hat sich ein weiterer Wandel in der Wahrnehmung von Partnerschaft und Ehebegriff vollzogen. Dem sollten wir nun auch rechtlich nachkommen. Darum bin ich für die Öffnung der Ehe und stimme heute dem vorliegenden Gesetz zu, das eine Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vorsieht.

 

Allerdings ist die Art und Weise wie wir uns nun parlamentarisch mit der Öffnung der Ehe im Deutschen Bundestag befassen mehr als unwürdig: Eine 38-Minuten-Debatte, anberaumt in aller Kurzfristigkeit und in die laufende Tagesordnung des letzten Sitzungstages dieser Legislaturperiode gepresst, halte ich keineswegs für einen ernsthaften und angemessenen Umgang mit diesem gesellschaftspolitisch so wichtigen Thema. Darüber hinaus ist das Ausschlachten dessen für Wahlkampfzwecke mehr als beschämend. Ich persönlich hätte eine Vereinbarung darüber, sich zu Beginn der nächsten Legislatur in aller Sorgfalt und Ausführlichkeit mit dieser Gewissensfrage zu befassen, für würdiger und auch für symbolträchtiger erachtet. Erst dann wäre die Debatte zu einer „Sternstunde des Parlamentarismus“ geworden anstelle einer Adhoc-Abstimmung im Hau-Ruck-Verfahren.